2023 on 33

 

 

Wie immer gibt es hier die wohl einzige Möglichkeit, dem Jahr etwas positives abzuringen: Die Rückschau auf die besten Alben 2023.


Jonny Nash - Point of Entry

Der in Amsterdam lebende Musiker Jonny Nash schenkt uns mit seinen luftig poppigen Ambient-Produktionen seit vielen Jahren Auszeiten von der Welt, gerne auch in Zusammenarbeit mit Suzanne Kraft oder Gigi Masin. Auf seinem sechsten Soloalbum "Point of Entry" hat er nun die schwebenden Synthesizer und das elegante Piano gegen silbrige Gitarrenklänge und ein zurückgenommenes Saxophon getauscht. Das verleiht seinem minimalistischen Sound einen Hauch der Psychedelia früher Cosmic-Produktionen. Meditative Etüden in der balearischen Morgendämmerung, die das Gefühl vermitteln, dass alles in der Welt in Ordnung ist. Mehr kann man von einem Album dieser Tage wirklich nicht erwarten.

 

 

Ragana - Desolation's Flower

12 Jahre nach ihrer Gründung, diversen Tape-Releases und furiosen Liveshows erschien in diesem Jahr endlich das Debütalbum der Washingtoner Band Ragana. Das Duo verarbeitet verschiedenste musikalische Einflüsse ihrer Heimatstadt Olympia - vom feministisch/queeren Punk und Hardcore von Sleater Kinney oder G.L.O.S.S. über den düster-nostalgischen Folk von Mt. Eerie bis zum atmosphärischen Metal von Wolves In The Throne Room - zu experimentellem Doom. Ihr Sound aus Gitarre, Schlagzeug und Gesang wechselt von zarten Harmonien nahtlos in erschütterndes Grollen. Schwer, durchdringend und überwältigend. 




Bar Italia - Tracey Denim

Bis 2023 waren Bar Italia ein Szenetipp aus dem verwaschenen DIY-Kosmos von Dean Blunts World Music, wo sie ihre ersten Veröffentlichungen präsentierten. In diesem Jahr nun folgten gleich zwei Alben bei der New Yorker Indie-Institution Matador Records. Und der Wechsel zum Label etwa von Sonic Youth oder The Fall war ein sehr passender, den der slacky Garage Rock der Band schreit lauter 90er, als die Generation Z den Gabber aufdrehen kann. Schrammelige Gitarren, warme Bassläufe und wechselnder, stets gelangweilter Gesang verbreiten eine wohlige Nostalgie, die gepaart mit zeitgeistigem Minimalismus vor allem "Tracey Denim" zu einem der besten Alben des Jahres macht.





Snõõper - Super Snooper

"Super Snooper" heißt das phänomenale Debüt der Band Snõõper, das Anfang des Jahres auf Jack Whites This Man Records erschienen ist. Snõõper war zu Beginn ein Video- und Kunstprojekt des Musikers Connor Cummins und des Animationskünstlers Blair Tramel. 2021 begannen die beiden ihren Derwisch aus 8-Bit-Animationen, Pappmaché-Puppen, Trillerpfeifen, Blinklichtern und Punk-Riffs auch auf die Bühne zu bringen und zwei Jahre später hat es die mittlerweile fünfköpfige Band geschafft, all das irgendwie auf Platte zu bannen: Super Snooper ist schnell, wild, witzig und transportiert in jeder Sekunde den unerschütterlichen Stolz darauf, in jedes Team als Letztes gewählt zu werden.




Mandy, Indiana - i've seen a way

Die Musik von Mandy, Indiana aus Manchester lebt von starken Kontrasten und überraschenden Wendungen. Ihr in diesem Jahr erschienenes Debütalbum "i've seen a way" vermengt Clubbeats, scheppernde Gitarren, schäumende Vocals und betörend blubbernde Synthies zu einem düsteren Sog, der durch Field Recordings, etwa von Drums in einer Höhle oder von Schreien in einem Einkaufszentrum, weitere Texturen bekommt. Ein faszinierendes Album, wie das Wühlen in der Asche der alten Welt, auf der Suche nach Zeichen einer neuen.





KAOS - Kein Abend ohne Schnaps

Die akronymen Alkoholikerinnen von KAoS haben in diesem Jahr ihr selbstbetiteltes Debüt "Kein Abend ohne Schnaps" veröffentlicht. Nicht nur ein hilfreiches Motto, sondern auch Musik, die uns durch die Dunkelheit ans Licht führt. Roher, unprätentiöser Post-Punk, gelangweilt von den Verhältnissen und doch voll überschäumender Energie.


Tirzah - trip9love...???

Im September des Jahres veröffentlichte Tirzah ohne große Vorankündigung ihr drittes Album "trip9love...???" auf Domino Records. Erneut bilden entschleunigte Beats und leiernde Pianoloops das Fundament ihres Sounds, darüber schweben gedämpfte Hi-Hats und mantraartige Texte über Liebe und Verlust. Mehr denn je lebt Tirzahs zurückgenommenes Songwriting von granularen Wiederholungen und findet darin Einfallsreichtum und betörende Schönheit.




Loraine James - Gentle Confrontation

Loraine James' drittes Album auf Hyperdub ist ein angenehm träges Werk, in dem viele Ecken erst nach und nach ausgeleuchtet werden. Trotz zahlreicher Feature Gäste stellt die Londonerin erstmals ihren eigenen Gesang ins Zentrum und reichert die 16 Songs zudem mit privaten Fieldrecordings und persönlichen Texten an. Intimer, zukunftsweisender elektronischer Pop zwischen Glitch, Down- und Breakbeat, Math-Rock und Emo.




James Holden - Imagine This Is A High Dimensional Space Of All Possibilities

James Holden öffnet mit seinem vierten Album einen Raum, der von der Hoffnung, der Freiheit und den Möglichkeiten der frühen Tage der britischen Dance Music erfüllt ist. "Imagine This Is A High Dimensional Space Of All Possibilities" vereint hypnotisierende, sich langsam entwickelnde elektronische Entwürfe mit analogen Genre-Zitationen, wie Bhangra-Percussions oder einem Vaudeville-Piano. Meisterhaft integrierte Elemente und Sounds, die uns in ein psychedelisches, außerweltliches Spiegelkabinett entführen.



 V/Z - suono assente

V/Z ist eines der unzähligen großartigen Projekte der Schlagzeugerin Valentina Magaletti - zu nennen sind hier etwa Moin, die Vanishing Twins, die Better Corners oder die Holy Tongues. Für V/Z hat sie sich mit dem Producer und Multiinstrumentalisten Zongamin zusammengetan, um ein grandioses, vom britischem Dub- und Noise-Pop  inspiriertes Album aufzunehmen. Bleibt zu hoffen, dass es nicht bei diesem einen bleibt, denn V/Z und ihr Debüt "suono assente" sind ganz bestimmt eine der Entdeckungen des Jahres.