2025 on 33

 



 

Auch 2025 war Musik der beste Ort, um sich nicht ständig fragen zu müssen, ob man für oder wegen Deutschland im Stau steht. Besonders trifft das natürlich auf die folgende Auwahl meiner zehn Alben des Jahres zu:

 

Schimmel über Berlin - Eisenmund

In puncto Punknamen hat man ja schon alles gesehen – dachte man, bis Schimmel über Berlin aus dem Nebel stiegen. Das Quartet aus der Hauptstadt legte im November ihr Debüt "Eisenmund" vor, das mit schimmernden Gitarren, wummernden Bass und flackernden Synthesizern den Geist der frühen Achtziger atmet. Sängerin Liv Billerbeck, die bereits mit Aus und Die Letzten Ecken Eindruck hinterlassen hat, führt den Sound mit stoischer Präsenz durch winterliche Klanglandschaften zwischen Post-Punk und New Wave. Wohlig vertraut und doch frisch und eigenständig.

  

 

 

Gajek - Cutting Together Apart

Der in Berlin lebende Produzent Matti Gajek arbeitet seit vielen Jahren an der Schnittstelle von experimenteller Clubmusik und Komposition. Sein im März bei Stroom erschienenes Album "Cutting Together Apart" zeigt seine ganz eigene Ästhetik aus brüchiger Elektronik, fragmentierten Melodien und emotionaler Schwere. Die Stücke wirken wie beschädigte Erinnerungen: verzerrte Stimmen, instabile Rhythmen und Momente von Schönheit, die sich sofort wieder entziehen. Musik, die kein Eskapismus sein will, sondern sanfte Konfrontation, die lange nachhallt. 

 

  

 

Blawan - SickElexir

Im Oktober des Jahres veröffentlichte Blawan sein neues Album "SickElixir" bei XL Recordings. Darauf verbindet er seinen gewohnt rohen Industrial-Techno mit Elementen aus Hip-Hop, Electro und Footwork und löst die strengen Clubstrukturen zugunsten komplexerer Arrangements auf. So entsteht eine vielschichtige, körperlich spürbare Klangwelt, in der Vocals – darunter auch seine eigenen – immer wieder für unerwartet eingängige Momente sorgen und "SickElixir" zu einem fordernden und zugleich fast poppigen Album machen, das besser zu seinem neuen Label passt, als zunächst zu vermuten war.

 

  

 

 

Rainy Miller - Joseph, What Have You Done?

Rainy Miller aus Preston prägt nicht zuletzt als Betreiber des Labels Fixed Abode seit vielen Jahren die englische Experimental-Szene. Da erstaunt es fast, dass das im März erschienene "Joseph, What Have You Done?" erst sein zweites richtiges Soloalbum ist. Er prösentiert darauf eine weitere, sehr zugängliche,  Facette seiner tief in der englischen Musikkultur verwurzelten Synthese aus Grime, Drill, Ambient und Spoken Word. Millers konzeptueller Ansatz zeigt sich spätestens bei seinen Live-Auftritten, die er stets als geschlossene Werke inszeniert. So ist auch "Joseph, What Have You Done?" eine dramaturgisch schlüssige Erzählung, in der sich autobiografische Fragmente, biblische Bildwelten und dokumentarische Voice-Notes immer weiter zuspitzen und verdichten.

 

 

 

 

Maria Teriaeva - Sayan - Savoie

Auf "Sayan - Savoie" zeichnet Maria Teriaeva ein subtiles Landschaftsporträt entlang ihrer Erfahrungen von Exil und Neuanfang. Mit modularen Buchla-Synthesizern, Gitarre, elektrischer Orgel und Vocoder schafft die aus Sibirien stammende und in Paris lebende Komponistin ein Gefüge aus texturierten elektronischen Flächen, organischen Klängen und emotionaler Direktheit. Es ist eine Reise von den Sayan-Bergen ihrer Kindheit zu ihrem Leben in den französischen Alpen, eine introspektive Meditation mit präziser Struktur und hoffnungsvoll warmen Momenten. 

 

 

 

Djrum - Under Tangled Silence

Im April des Jahres erschien mit "Under Tangled Silence" das dritte Album des britischen Produzenten Djrum. Obwohl er seit über einem Jahrzehnt in der britischen Underground-Szene etabliert ist, trat er erst in den letzten beiden Jahren mit zahlreichen EPs und grandiosen DJ-Sets nachhaltig auf die internationale Bühne. Sein extrem eigenständiger Sound wird von dichten elektronischen Texturen, brüchigen Rhythmen und improvisierten Live-Instrumenten getragen. Auf "Under Tangled Silence" verwebt er pianistische Improvisationen, Harfe, Mbira und Cello zu einem dichten, widersprüchlichen Klangteppich. Die elf Tracks pendeln zwischen ruhigen Ambient-Meditationen und rhythmisch verschobenen Momenten, die an Breakcore und Rave-Subgenres erinnern, ohne je in klassische Club-Strukturen zurückzufallen.

 

 

 

 

Armand Hammer & The Alchemist - Mercy 

"Mercy" ist das zweite gemeinsame Album des New Yorker Duos Armand Hammer, bestehend aus Billy Woods und Elucid, und dem Produzenten The Alchemist, der auch 2025 alles was er anfasst in Gold verwandelt. Gold, das recht düster schimmert und so wird auch "Mercy" von minimalistische Beats, dissonanten Loops und schattigen Flächen getragen. Der perfekte Resonanzraum für die reflektierten und wuchtigen Verse von Armand Hammer und zahlreichen Gästen wie Earl Sweatshirt, Quelle Chris, Pink Siifu oder Cleo Reed. Aus vielen großartigen Veröffentlichungen des US-Alternative-Hip-Hops, die die ein bisschen herrausragt. 

 

 

 

feeo - Goodness

"Goodness", das Debütalbum von feeo auf AD 93, ist keine Sammlung einzelner Songs, sondern ein Werk, das in seiner Gesamtheit beeindruckt. Es entwirft einen Ort zwischen brüchigen Rhythmen, schwebenden Drones und einer Stimme, die Nähe sucht und im nächsten Moment wieder entgleitet. Die Künstlerin entstammt dem kreativen Umfeld des Londoner Café OTO, das in diesem Jahr durch die Erwähnung in der Dankesrede von Oscar-Preisträger Daniel Blumberg auch über die Independent-Szene hinaus Sichtbarkeit erlangte. feeo hingegen verzichtet auf große Gesten und richtet den Fokus auf subtile Spannungsfelder, die sich zwischen Wärme und Kälte, zwischen Intimität und Distanz oder zwischen Kontrolle und Auflösung ergeben.

 

 

 

 

eX-Tradition - Apocalyptic Silver

 eX-Tradition ist ein junges Quartett aus Philadelphia, das 2025 mit "Apocalyptic Silver" sein erstes Album vorgelegt hat. Der Sound der Band bewegt sich im Kontinuum zwischen Post-Punk und Punk-Rock und ist geprägt von knappen, nervösen Gitarren, lakonischem, beinah gespenstischem Gesang und eingängigen Melodien. Die unpolierte Produktion hält diese Hooks in der richtigen Spannung – direkt und zugänglich, ohne ins Gefällige zu kippen.

 

 

  

Aya - hexed!  

Im März erschien mit "hexed!" das zweite Album der Londoner Produzentin und DJ Aya auf Hyperdub. Es ist eine experimentelle und laute Mischung aus Hardcore-Elektronik, bassgetriebenen Beats und surrealen Klanglandschaften, die sich thematisch um Traumata, Identität und Transformation dreht. Mit verzerrten Synthies, fragmentierten Percussions und unvorhersehbaren Rhythmuswechseln schafft Aya eine wutgetränkte Atmosphäre, in der andere Emotionen nur sehr subtil, aber umso wirkungsvoller aufblitzen.