Mira Mann: Wellness


Mira Mann hat eine Platte veröffentlicht. Nicht ihre erste, aber die erste, die ihren Namen trägt. Das Solo-Debüt der Bassistin und Sängerin der Münchner Band Candelilla heißt „Ich mag das“. Darauf erzählt sie leicht und leise von vermeintlich alltäglichen Dingen: vom ersten Kennenlernen, vom Telefonieren im Büro oder vom Weintrinken draußen auf einer Treppe. Die Themen und Texte hat Mira schon vor einer Weile entwickelt. Im Spätsommer 2017. Nachdem ihr die Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose diagnostiziert wurde. In den zwei Wochen danach hat Mira jeden Tag geschrieben – eine Tätigkeit, die für sie auch sonst ein steter Zufluchtsort ist. „Wellness“, wie sie sagt. In diesem Fall hat sie das Schreiben genutzt, um sich und ihre Gefühle aus der Vogelperspektive wahrzunehmen. Und aus der Sicht von anderen. Perspektiven, die ihr halfen, sich besser zu spüren und der Zukunft mit der Krankheit offener gegenüber zu treten.

Zwei Jahre später veröffentlicht Mira diese Perspektiven zunächst als „Gedichte der Angst“ beim Kölner Verlag Parasitenpresse und dann, leicht abgewandelt und vertont, als  EP „Ich mag das“ beim Wiener Label Problembär Records. Aufgenommen hat sie die Platte gemeinsam mit Ludwig Abraham, der als Livemusiker bei der Band International Music und an verschiedenen Theatern aktiv ist. Die unprätentiöse, nüchterne Sprache der Gedichte haben die beiden in minimalistischen Elektro-Pop übersetzt. Schwerelose Beats und zarte Flächen lassen genug Raum für Experimente, für Spontanes und Unregelmäßigkeiten. Vor allem natürlich für Miras gesprochene Texte, die leicht über der Instrumentierung schweben und ihre Tiefe erst beim zweiten und dritten Hören offenbaren: 

„Die Luft ist irgendwie süß / Es fühlt sich an, als würd ich abhauen / Tu’ ich aber nicht / Eigentlich will ich alles / Das ist klar“ 

Momente des Loslassens, des Glücks, des Zweifelns und Verzweifelns – sie alle werden von der Musik getragen, ja exponiert. Trotz manchem Stolpern, trotz mancher Atonalität bleibt die Grundstimmung dabei immer positiv. Manchmal euphorisch. 

„Ich spür den Puls / Alles wird gut / Jetzt ist alles etwas bunter / Jetzt ist alles etwas lauter / Da ist ein Wummern / Ich lass mich fallen“ 

Im Nachwort zu ihren Gedichten schreibt Mira: „Ich will meine Angst nicht verstecken.“ Mit der musikalischen Adaption setzt sie diesen Weg fort und feiert die Kraft der Verletzlichkeit. Im nächsten Schritt bringt Mira „Ich mag das“ nun auf die Bühne. Als Lesung, wie am 8. November im Lost Weekend, aber auch im Rahmen verschiedener Konzerte. Etwa am 1. November gemeinsam mit der Münchner Jazz Band Fazer beim Überjazz Festival in Hamburg oder am 6. November in der elektronischen Variante beim SpielArt Festival im Münchner Blitz.




für: superpaper