Wu-Tang is forever


Neue Musik, zwei TV-Serien und ein nach der Gruppe benanntes Viertel in New York: Der Wu-Tang Clan ist 2019 mehr für immer denn je. 

Spricht man vom Wu-Tang Clan ist Zurückhaltung fehl am Platz. Die Supergroup aus Staten Island / New York ist eine der größten Hip-Hop Bands aller Zeiten, verkaufte weltweit über 40 Millionen Alben, erhielt fünfmal Gold und Platin. Ihr 1993 erschienenes Debüt „Enter The Wu-Tang (36 Chambers)“ gilt als eines der wichtigsten Alben der 90er und definierte ein ganzes Genre neu. Hip-Hop oszillierte zu dieser Zeit zwischen den Partyerzählungen des G-Funk und der afrozentrisch-feingeistigen Sozialkritik des Conscious Rap. Mit selbstbewussten tighten Posse Cuts läuteten die neun vorher weitgehend unbekannten MCs eine neue Zeitrechnung ein. Maßgeblich dafür war der alles umfassende Narrativ des Clans. Eine große Erzählung zwischen Hood-Knowledge, Five-Percenter-Ideologie und Kung-Fu-Mystik, die sich auch im Sound wiederfand: Mastermind und Producer RZA verschmolz staubige Loops und Drums mit muffigen Soul-Samples und Passagen aus dem namensgebenden Film „Shaolin and Wu Tang“, die er wie einzelne Töne behandelte und in die Gesamtorchestrierung einfügte. 


Nicht nur in Duktus und Sound sondern auch in der Vermarktung setzte der Clan neue Maßstäbe. Die einzelnen Charaktere glichen einer straßenkompatibel gecasteten Boygroup: der slicke Mafioso Raekwon, der verkiffte Straßenphilosoph Method Man, der in sich ruhende Shaolin GZA oder der völlig losgelöste Grenzgänger zwischen Genie und Wahnsinn ODB. In Verbindung mit ihrem Talent und RZA‘s Beats ermöglichten diese Charaktere jedem Clan-Mitglied von RZA minutiös geplante Solokarrieren und hoben sie schnell auf eine Ebene mit den größten MCs des Genres. Auch das Merchandise nahm der Clan selbst in die Hand und etablierte mit Wu Wear gar ein eigenes Label. So war das dicke gelbe „W“ 1997, beim Erscheinen ihres zweiten gemeinsamen Albums „Forever“, bereits überall. Auf Jeans und Hoodies, auf jeder zweiten Hauswand und unter jeder zweiten Schulbank. Bis heute hat sich daran nichts geändert. Das „W“ wurde zur Ikonografie, die Kenntnis des Clans zu Allgemeinwissen und zwar weit über die Hip-Hop Gemeinde hinaus. 

  

Ein gutes Vierteljahrhundert nachdem alles begann, wird diese Geschichte nun in gleich zwei TV-Serien erzählt:  Ab 4. September läuft beim Streaming-Anbieter Hulu „Wu-Tang: An American Saga“. Das Drehbuch für die zehnteilige erste Staffel, die komplett in den 90ern spielt, hat RZA gemeinsam mit dem Serienautor Alex Tse geschrieben. Grundlage sind die zuvor veröffentlichten Bücher „The Wu-Tang Manual“ und „Tao of Wu“. Bereits zu sehen ist „Wu-Tang Clan: Of Mics and Men“. Die vierteilige Doku-Serie wurde gerade für einen Emmy nominiert und lief auf allen relevanten Festivals weltweit. Auf der begleitenden EP finden sich einige Skits und Interviews, die es nicht in die Endfassung der Serie geschafft haben, und zum ersten Mal seit Jahren auch neue gemeinsame Musik des Clans. Damit aber nicht genug: Die Stadt New York ehrte die Hip-Hop Legenden jüngst mit einem eigenen Viertel im Bezirk Staten Island. An einem Strommast in einem der unbeliebtesten und nur mit einer Fähre zu erreichenden Bezirke der Stadt hängt fortan ein Schild mit dem Namen „Wu-Tang Clan District“. Mehr für immer geht eigentlich nicht. Zumindest fürs erste. 

für: superpaper