Arrested Development: The Real Hip-Hop


Am 29. Oktober gastieren Arrested Development in der Münchner Muffathalle. Es ist das Wiedersehen mit einer der Bands, die dem Hip-Hop Anfang der 90er seine politischen und musikalischen Wurzeln zurückgaben.

Auch wenn es heute bei allem Bling-Bling und Schwanzvergleichen nicht immer den Anschein macht, war Hip-Hop als Kunstform stets ein wichtiges Werkzeug politischer Willensbekundung und Mobilisierung. Entstanden ist das Genre in den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Wirren der frühen 1970er Jahre in der New Yorker South Bronx. Die Black Panther Bewegung kämpfte in dieser Zeit für eine schwarze Republic of New Africn, Muhammad Ali gab im Fight of the Century sein Comeback als Schwergewichtschampion und der New Yorker DJ Afrika Bambaataa gründete die Universal Zulu Nation – eine Art Kulturverein, der Hip-Hop als Zusammenspiel von DJ-ing, Rap, Breakdance und Graffiti-Writing konstituierte. Nicht zuletzt dem Einfluss Alis auf die afroamerikanische Jugend wird es zugeschrieben, dass Hip-Hop neben der politisch-kämpferischen Komponente auch einen starken Hang zu Prahlerei und Machismo entwickelte. Das Genre fand gespickt mit männlichen Allmachtsfantasien fast explosionsartig Eingang in die amerikanische Popkultur. Ende der 80er erschienen dann mit Public Enemy und N.W.A. zwei Bands auf der Bildfläche, die großen Einfluss darauf hatten, dass sich Hip-Hop wieder von großspurigen Party-Erzählungen löste. Auf unterschiedliche Weise verkörperten beide Gruppen den zunehmend politisch aufgeladenen Geist im Hip-Hop: Public Enemy verankerten ihren Stil und ihre Ästhetik explizit in der schwarzen Tradition und bezogen sich auf Freiheitskämpfer wie Nelson Mandela oder den berühmtesten Anführer von Sklavenaufständen in den Vereinigten Staaten Nat Turner. N.W.A. hingegen verherrlichten Straßengangs, Radikalität und nihilistisches Draufgängertum. Beide aber thematisierten die sozialen Missstände und die traumatisierenden Gewalttaten, die viele afroamerikanische Gemeinden seit dem Ausbau des Polizeistaats im Zuge des War on Drugs erfahren mussten.

Vor allem die traditionell aufgeladenen Songs von Public Enemy stießen in der Rapszene auf enormen Widerhall. Unter anderen inspirierten sie auch den 18-jährigen Rapper Speech, der sich 1989 mit DJ Headliner und 17 anderen Künstlern zu Arrested Development zusammenschloss. Das Kollektiv wandte sich explizit gegen Homophobie, Sexismus und Gewaltverherrlichung und besann sich nicht nur auf afrozentristische Themen sondern auch auf die musikalischen Einflüsse des Hip-Hop im Jazz, Rock und Funk. Neben diesen afroamerikanischen Musikgenres mit langer Tradition öffneten sich Speech und Kollegen aber auch für Soul und Pop, was nicht nur die Grundlage ihres eigenen Erfolgs war, sondern auch dazu beitrug, dass die 90er mit geistesverwandten Bands wie A Tribe Called Quest, Gang Starr, The Roots oder De La Soul zur goldenen Ära das Hip-Hop wurden. Von ihrem Debüt „3 years, 5 months & 2 days“ verkauften Arrested Development über vier Millionen Exemplare. Es folgten Grammys und zahlreiche weitere Auszeichnungen, der Titelsong für Spike Lees Film Malcolm X und ein Unplugged-Album, das ebenfalls Gold gewann.




Das nächste Album allerdings floppte, die Band löste sich 1996 auf, fand aber 1999 mit kleinerer Besetzung wieder zusammen: Seither bilden Rasa Don, Montsho Eshe, Baba Oje und Speech Arrested Development. Dass die vier immer noch für den echten Hip-Hop und für die Rechte von Afroamerikanerinnen und -Amerikanern brennen, beweisen sie nicht zuletzt auf ihren ausgeprägten Tourneen, die sie am 29. Oktober auch in die Münchner Muffathalle führen werden.