Die Nerven: Fake


Am 20. April veröffentlichen die Stuttgarter Post Punks Die Nerven ihr viertes Album „Fake“. Zeitgleich kommen sie auf Tour – am 28. April auch ins Münchner Strom.

Niemals die gleiche Platte zweimal aufnehmen ist eine der Vorgaben, die sich Die Nerven selbst gesetzt haben. Bisher haben die Stuttgarter Wort gehalten und gehen auch mit ihrem vierten Studio-Album „Fake“ konsequent nach vorn. Seit dem Debüt „Fluidum“ von 2012 wurde der schrammelige Noise-Rock der ersten Demos sukzessive in klareren Songstrukturen kanalisiert. Mit reduzierten Riffs stupsten die drei ihren Sound auf der zweiten Platte „Fun“ von 2014 noch deutlicher in Richtung Post Punk und New Wave um ein Jahr später auf „Out“ auch den Gesang ein wenig ruhiger und melodischer werden zu lassen. Mittlerweile sind die Rhythmen etwas verspielter und die Instrumentierung etwas breiter geworden. So werden ruhigere Passagen auch schon mal von einer Trompete untermalt. Gleichgeblieben ist die Wut und Verweigerung, die sowohl der Musik, als auch den Texten innewohnt. Ganz ohne Deutschkenntnisse hat dies übrigens auch Thurston Moore von Sonic Youth bemerkt. Anfang 2016 wurde ihm beim lustigen Lieder-Rate-Spiel des Magazins Musikexpress ein Song aus dem gerade erschienenen Album „Out“ vorgespielt. „Ich verstehe zwar nicht, worüber sie singen, aber es klingt, als würden sie über Sex und Religionen klagen.“ Auch musikalisch war Moore sehr angetan: „Das gefällt mir sehr. Die würde ich gerne live sehen“, und zeigte schließlich auch noch beeindruckende Orts- und Geschichtskenntnis: „Stuttgart? Da war ich erst letztens. Eine sehr interessante Stadt. Dort war doch die RAF-Gerichtsverhandlung. Das hier könnte auch eine RAF-Partyband sein.“



Ob Regisseur Armin Petras das Interview gelesen oder Thurston Moore einfach seherische Fähigkeiten hat, bleibt dahingestellt. Monate später lieferten Die Nerven jedenfalls den Live-Sound zu Petras´ Inszenierung von Frank Witzels Roman „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“ am Schauspiel Stuttgart. Die kleine Tournee, auf die das Stück in der Folge ging, ist wohl der Grund, warum der Pressetext zur neuen Platte uns nun wissen lässt, das Album sei auf Theaterbühnen in Stuttgart, Leipzig und Berlin entstanden. Hat mit dem Sound nicht allzu viel zu tun, aber liest sich allemal gut. Einen größeren Einfluss haben da gewiss die zahlreichen Nebenprojekte, in denen die Die Nerven aktiv sind. Etwa All diese Gewalt, das Solo-Projekt von Sänger und Gitarrist Max Rieger, der zuletzt außerdem das tolle Album „Fatal Schwach“ der Münchner Band Friends of Gas produziert hat. Oder Wolf Mountains, eines der vielen Nebenprojekte von Schlagzeuger Kevin Kuhn. Oder Peter Muffin, das Alter Ego von Bassist Julian Knoth. Das Weiterentwickeln des eigenen Sounds, der bei den verschiedenen Projekten mal in Richtung Lo-Fi, mal in Richtung Grunge oder Electronica ausfranst, findet auf „Fake“ seinen Niederschlag. Die musikalische Kanalisierung des von Moore festgestellten Unbehagens wirkt souveräner und vielfältiger als auf den bisherigen Veröffentlichungen. Dass das Album im mobilen Studio von Produzent Ralv Milberg ausgerechnet in der pittoresk versnobten Toskana aufgenommen wurde, kommt zunächst wie ein Scherz daher. Bei genauerer Betrachtung aber ist diese Wahl fast schon wieder programmatisch – steht die Toskana doch noch mehr als andere italienische Gegenden für Dolce Vita. Für den schönen oder aber auch hässlichen Schein, die Repräsentation dessen, was im eigenen Leben angeblich fehlt. Dies zieht viele in den Bann. In Zeiten konstruierter digitaler Realitäten wohl mehr denn je. Nichts Echtes also, für niemand!

für: superpaper