Fever Ray: Sex won't save us


Karin Dreijer Andersson, ehemals Teil des schwedischen Elektro-Pop-Duos The Knife, hat ihr zweites Solo-Album als Fever Ray veröffentlicht. Am 22. Februar stellt sie ‘Plunge’ auch in der Münchner Muffathalle vor.

‘I wanna love you but you're not making it easy’ lautet der erste Satz auf dem neuen Album von Karin Dreijer Andersson alias Fever Ray. Ein durchaus programmatisches Bonmot, denn Dreijer Anderssons Musik umschmeichelt und umgarnt uns im einen Moment, um uns im nächsten harsch von sich zu stoßen. Das gilt für ihr Solo-Projekt Fever Ray und galt genauso für The Knife, die Band, die sie 1999 gemeinsam mit ihrem Bruder Olof Dreijer gründete und die bis zur Auflösung im Jahr 2014 zu einem der einflussreichsten Electro-Pop-Acts des vergangenen Jahrzehnts werden sollte. Charakteristisch für den Sound des Duos war Dreijer Andersons Stimme, die durch den Vocoder gejagt und phasenweise wie ein Rhythmus-Instrument eingesetzt wurde. Die daraus resultierende Melodieführung klang zunächst fremd, entwickelte zusammen mit allerlei modulierten Instrumenten, kühlen Beats und ambienten Flächen aber einen Sog, der mit jedem Hören unwiderstehlicher wurde.

So brüchig vieles am Sound der beiden war, so klar waren die damit verbundenen Botschaften. Etwa im Song ‘Hangin' out’, in dem Dreijer Anderson männliches Dominanzgebaren mit einer derart entnaturalisierten Stimme anprangerte, dass viele mutmaßten, es sei nicht sie, sondern ihr Bruder Olof der singe. Oder auf ihrem letzen Album ‘Shaking the Habitual’ auf dem The Knife die Ablehnung von Patriarchat, Geschlechternormen, Rassismus, Kapitalismus und Musikindustrie wohl am dezidiertesten formulierten. Der Titel stammt aus einem Essay Michel Foucaults, in dem der Philosoph die Notwendigkeit des steten Hinterfragens bestehender Evidenzen verhandelt. Ein programmatisches Ende für The Knife, die sich nach der Veröffentlichung dieses Albums, das mehr wütendes Manifest als Pop-Musik war, auflösten.

Drei Jahre später nimmt Dreijer Andersson mit ihrem zweiten Fever Ray Album diese Fäden wieder auf. Ihre Texte zerhacken soziale Skripte für Mutterschaft, Geschlecht und sexuelle Orientierungen und bedienen sich dafür einer auffallend expliziten Sprache. Damit drückt sie nicht nur ihr Wut aus, sondern skizziert immer wieder auch vermeintliche Zufluchtsorte in sexuell aufgeladenen Gewaltphantasien. ‘Früher hat es mich gestört, dass auch Gewalt so intim sein kann wie Liebe. Dieser Widerspruch lässt sich aber lösen, wenn man beides miteinander vereint’, schreibt sie kurz vor der Veröffentlichung von ‘Plunge’ auf ihrer Webseite. Dafür braucht es Nähe und Vertrautheit aber auch genug Abstraktion und Verfremdung um ein solches Spiel nicht in jedem Moment als Spiel zu empfinden. Eine Gratwanderung, die Dreijer Andersson mit tribalistischen Drums, poppigen Harmonien und düsteren Synthie-Arpeggios vertont. Ihr Sound wirkt dabei im Vergleich zum zerklüfteten Fever Ray Debüt von 2009 organischer, ohne aber seine Ecken und Kanten zu verlieren.

‘Plunge’ erzählt so von Wiedererwachen und Freiheit, aber auch von Ausweglosigkeit, Abhängigkeit und Zwang – Setzungen, die letztlich auch mit körperlicher Nähe und Intimit nicht überwunden werden können, wie Dreijer Andersson auf ihrer Webseite schreibt: ‘Ich hatte die Vorstellung, dass Sex oder zumindest von Herzen kommende physische Intensität uns retten könne. Aber die habe ich zusammen mit dem Körper vom Dach geworfen, in die Stille, die die Ränder meiner Songs umgibt’. Dieser Sprung (Plunge), der dem Album den Namen gab, soll uns ermutigen abseits von Körper, Rolle und Norm eigene Wahrheiten zu suchen.




Nachdem ‘Plunge’ im November quasi über Nacht digital veröffentlicht wurde, folgen Ende Februar die Releases der physischen Tonträger. Zeitgleich kommt Fever Ray auf Europatournee – am 22. Februar auch in die Münchner Muffathalle.

Für: superpaper