2017 on 33


Sleep well 2017! Bevor es aber soweit ist, gibt es an dieser Stelle die Rückschau auf die guten Dinge des Jahres. Musik:

Sean Nicholas Savage: Yummycoma

Sean Nicholas Savage badet gern. Am liebsten in Traurigkeit und Weltschmerz, aber auch in der Schönheit der Natur oder einer zwischenmenschlichen Erfahrung. All das besingt er auch auf seinem zwölften Album ‘Yummycoma’, das im Oktober auf Kassette erschien, so seelenvoll, verführerisch und ehrlich überzeugend, dass aller Schmalz ganz selbstverständlich erscheint.



John Maus: Screen Memories

2017 hatte das Warten auf ein Lebenszeichen des wundervollsten Pop-Exzentrikers John Maus endlich ein Ende: Im Sommer kündigte der Ex-Ariel-Pink und Ex-Animal-Collective-Keyboarder gleich zwei neue Alben und ein Box-Set an. ‘Screen Memories’, die erste dieser Neuveröffentlichungen, erschien am 26. Oktober und zeigt eindrücklich, dass Maus in den sechs Jahren, in denen er wegen seiner Promotion in Politischer Philosophie von der Bildfläche verschwunden war, musikalisch nichts verlernt hat. Die Tiefe, die er mit seinen DX7- und 80er Synthie-Sounds erzeugt, ist immer noch enorm, die Breite immer noch bezaubernd!



Tyler, the Creator: Flower Boy

In der hysterischen Rezeption des vierten Albums von Tyler, the Creator ging es weniger um Musik, als um die Frage, ob sich der Vorsteher der Odd-Future-Wolf-Gang darauf nun als schwul geoutet haben mag oder nicht. Eine Rolle spielt das zum einen, weil es sich um einen amerikanischen  Rapper handelt, vor allem aber, weil dieser für seine u.a. homophoben Texte berüchtigt ist und deshalb sogar schon mal unter Einreiseverbot für Großbritannien stand. ‘Flower Boy’ ist nun nicht nur textlich Tylers bisher eingängigstes Werk: Dramaturgisch wohl dosiert mischt er durchgeknallten Jazz, opulente Streicher, schweren Dubstep und astrale Synthis mit feinen Flows und Features zu einem der besten Hip-Hop-Alben vergangener Jahre. 



Sievehead: Worthless Soul

Das zweite Album von Sievehead aus Sheffield vereint düstere Post-Punk-Atmosphäre mit der Wut und Wucht des Anarcho-Punk. Das Songwriting scheint dabei ein bisschen breiter aufgefächert als auf dem tollen Debüt ‘Into The Blue’ und über all der kühlen Klangkulisse thronen weiterhin Dave Walkers heißblütige Vocals. Schlechte Kunde gab es allerdings im September, als sich die Band in ein Sabbatical mit offenem Ende verabschiedete. Bleibt zu hoffen, dass das grandiose ‘Worthless Soul’ noch nicht das letzte Album der Nordengländer gewesen ist.




Timber Timbre: Sincerely, Future Pollution

Nicht nur was den Titel anbelangt haben Timber Timbre mit ihrem sechsten Album richtig einen rausgehauen. Kleinere Verschiebungen in Synthetik und Instrumentierung lassen vermuten, dass die Band um Mastermind Taylor Kirk während der Aufnahmen auch hin und wieder das Tageslicht gesehen hat. Trotz einiger hellerer Akkorde ist es den Kanadiern aber gelungen, nichts von der dunklen Sinnlichkeit ihres Blues-Pop einzubüßen.




Leroy & Angela Aux: Grain in Vain

Falls es Euch noch nicht aufgefallen ist: Immer wenn der Münchner Elektro-Slacker Leo Hopfinger aka Leroy ein neues Album macht, taucht es am Jahresende in dieser Liste auf. Das liegt nicht an persönlicher Verbundenheit oder schnödem Lokalpatriotismus, sondern daran, dass der Leo einfach delivert wie kein zweiter. Diesmal gemeinsam mit Angela Aux die Kassette ‘Grain in Vain’: Ein DIY-Kleinod, das in Form und Inhalt gleichsam Satire, Surrealismus und Realromantik mit dem Pop-Appeal so unterschiedlicher Songwriter wie Bob Dylan, Elliot Smith oder Frank Zappa vereint – stand irgendwo ausführlicher zu lesen.


Princess Nokia: 1992 Deluxe

Destiny Frasqueri aka Princess Nokia hat ihr großartiges Mixtape ‘1992’ aus dem vergangenen Jahr neu gemastert und auf Albumlänge aufgeblasen. Neben den schon bekannten Krachern finden sich auf ‘1992 Deluxe’ sieben neue Songs der New-Yorkerin, die mit eklektischem Flow und wunderbaren Texten unterstreicht, dass sie derzeit eine der gleichermaßen eindringlichsten wie eingängigsten weiblichen Stimmen im Hip Hop ist.





Four Tet: New Energy

‘New Energy’ ist bereits das neunte Album, das Kieran Hebden unter seinem Alias Four Tet veröffentlicht. Dabei zeigt sich der Londoner Produzent erneut stilsicher zitierfreudig und vereint polarklare Flächen aus IDM und Trance mit housigen Rhytmen. Besonders machen Four Tets Sound weiterhin die auf dem ganzen Globus zusammengesammelten Soundschnipsel – Weltmusik in einem Universum rhythmischer Präzision.



Spirit Fest: Spirit Fest

Im November erschien das selbstbetitelte Debüt von Spirit Fest, dem neuen Bandprojekt des Tokioter Ehepaars Saya und Takashi Ueno, aka Tenniscoats, Markus Acher von The Notwist, Mat Fowler von Jam Money und Cico Beck von Aloa Input. Zur Zusammenarbeit kam es beim von The Notwist kuratierten Alien-Disko-Festival im vergangenen Dezember an den Münchner Kammerspielen. In der intuitiven Nähe eines gemeinsam bewohnten Appartements haben die Beteiligten alsdann zehn Songs  eingespielt, denen man diese Vertrautheit auch anhört: Herrlich harmonisch finden Achers Gesangsmelancholie und der lautmalerische Stimmgestus Saya Uenos in luftigem Pop zusammen.



Washed Out: Mister Mellow

Mit seinem dritten Album ‘Mister Mellow’ ist Ernest Greene alias Washed Out erneut ein kleines, eskapistisches Pop-Meisterwerk gelungen. Sein fluffiger Collagen-Sound klingt, wie ein verschwommener Traum von einsamen tropischen Stränden. Perfekt inszenierte Realitätsflucht, die auch in der ‘Mister Mellow Show’, dem großartigen Video zur Platte, trefflich transportiert wird.