Jens Rachut: Mainstream // Maschinen // Welt

Jens Rachut, geboren 1954 in Hamburg, ist Musiker, Autor, Schauspieler und widerwillige Symbolfigur der deutschen Punkszene. Am 05. September gastiert er mit seiner neuen Band Alte Sau im Münchner Unter Deck.

Rachut war eigentlich schon immer da. Länger noch. Seine Bands hießen Angeschissen, Blumen am Arsch der Hölle, Dackelblut und Oma Hans. Später dann Kommando Sonne-nmilch und NRFB (Nuclear Raped Fuck Bomb). Am Anfang malte Daniel Richter die Plattencover. Als der noch unbekannt war. Subversiv und Škoda-frei. Mittlerweile malt Rachut selbst, heißt es. Plattencover war noch keines dabei. Theater spielt er auch. Das nachgewiesenermaßen. Meist am Hamburger Schauspielhaus. Etwa unter der Regie von Schorsch Kamerun oder Studio Braun. Deren Jaques Palminger spielte einst bei Dackelblut das Schlagzeug. Szene Hamburg. Über die kam Rachut auch zum Hörspiel. Als Sprecher, aber auch als Autor. Er ist ein guter Geschichtenerzähler. In seinen Hörspielen erzählt er futuristische Geschichten. Und dystopische. Unprätentiös und dreckig. Aber nie so dreckig wie das, was der Mensch sich selber antut. Ein Spiegel mit blinden Flecken und doch ganz klar und auf den Punkt. Genau wie in seinen Songs. Denen gab er schon viele Hüllen. Ihr Kern blieb immer gleich. Anfangs Liebeslieder. 2 Minuten Punkrock. Dann immer mehr Inszenierung als Komposition. Chöre, Hörspielpassagen, Elektronisches. Immer weiter. Nach 30 Jahren dann plötzlich doch nochmal zurück. Rachut covert sich selbst. Nicht wie viele das ihre ganze Karriere über machen. Auch nicht der  Kohle wegen. Einfach, weil sie Lust dazu haben, bringen er und Stamm-Gitarrist Andreas Ness seit 2014 die Hits der vier ersten Bands wieder auf sehr ausgewählte Bühnen. Ratttengold. Was richtig Neues soll es aber auch noch sein. Und zwar im gleichen Jahr: Rachut stolpert irgendwo in Hamburg die Kellertreppen hinunter. Auf dem Rücken ein angefahrenes Wildschwein, das versteckt werden muss. Gibt ja Ärger dieser Tage. Im Keller aber steht Rebecca Oehms, die auch schon bei der Supergroup NRFB dabei war, und macht Musik mit Raoul Doré. Nur Orgel und Schlagzeug. Rachut findet´s geil und will direkt mitmachen. Sau in die Ecke, Blut abwischen und los. Gedanken um den Namen müssen sich die drei keine mehr machen. Und auch nicht um die Instrumentierung. Kein Bass aus dem Bass, keine Gitarre aus der Gitarre, keiner bläst, streicht oder fummelt am Laptop. Orgel, Schlagzeug und neben Rachuts Gesang natürlich noch ein kleiner Frauenchor. Die Sibirischen Falten. 



Das Ganze wabert relativ flott – so kann man es auch sagen – "Richtung digitaler Sitzblockaden, von denen, die noch so bescheuert sind, die versuchen gegen die Mainstreammaschinenwelt was zu unternehmen, aber dieser Gegner ist unbezwingbar geworden -für immer- es sei denn, er zerstört sich selber, aber dafür braucht er Gründe und die gibt’s nicht, denn es geht ihm gut. Er stopft sich natürlich alte Tischdecken in seine Mainstream Öhren, weil nur Orgel, Schlagzeug und Gesang verarbeitet er nicht so gut… er wird mitten in der Nacht aufstehen und sich übergeben, und das Licht bleibt aus in seiner Wohnung und bei dieser Musik auch für immer…"
Also München: Tischdecken aus den Öhren. 5. September, Unter Deck!

für: superpaper