Alex Cameron: Jumping the Shark

Auch mal die underratete Vorband zu hypen ist für richtige Szenekids eigentlich eine lästige Pflichtübung. Dem stehe ich natürlich in Nichts nach: Verpasst beim Konzert von Mac DeMarco am 12. Juli im Münchner Technikum also auf keinen Fall Vorspieler Alex Cameron!

Dieses Vorband Ding scheint ja irgendwie aus der Zeit gefallen. Ein Anachronismus aus Zeiten vor dem Internet, vor Myspace, Bandcamp und YouTube – als sich Künstlerinnen und Künstler, wenn sie nicht gleich mit einer Hollywood Hauptrolle und zugehörigem Soundtrack auf die Bildfläche stürmten, ihre Meriten noch mühsam im Vorprogramm abgehalfterter Stars erspielen mussten. Heute, da Tourneen weitestgehend den Zweck erfüllen, die Verluste durch illegale Downloads auszugleichen, dienen Vorbands mehr denn je der Profitmaximierung. Die Veranstalter und Plattenfirmen wollen einen Stunde länger Drinks und Devotionalien verkaufen, dafür aber möglichst kein Geld ausgeben, oder im Idealfall sogar Geld dafür bekommen, die Band eines anderen Labels spielen zu lassen. Oftmals erinnern diese Vorbands dann auch an die Eispause vor dem Kinofilm, in der zwar das Licht angeht und die Werbung läuft, der Eismann aber nicht kommt. 

Einer der sich diesem Mechanismus bravourös entzieht, ist der kanadische Glam-Slacker Mac DeMarco. Nachdem er schon auf seiner letzten Europa-Tour den wunderbaren Sean Nicholas Savage im Gepäck hatte, beglückt er uns diesmal mit dem nicht minder großartigen Alex Cameron. Weder Savage noch Cameron veröffentlichen im Übrigen beim gleichen Label wie DeMarco – damit Ihr jetzt nicht denkt, die Plattenfirma promote hier doch nur wieder ihren vermeintlich kleineren Act. Um nicht die bisherige Argumentation zu zerschießen, wird auf Camerons und DeMarcos Labels – die seelenverwandten Brooklyner Indie Manufakturen Secretly Canadian und Captured Tracks – an dieser Stelle nicht weiter eingegangen. Vielmehr ist es an der Zeit, darauf hinzuweisen, dass wohl die wenigsten von Euch Alex Cameron bereits wegen seiner Mitgliedschaft in der Band Seekae kennen. Falls doch: nicht schlimm, denn Solo hat seine Musik nicht mehr viel mit dem konziliantem Post-Dubstep der Band zu tun. Ohnehin greift es viel zu kurz, Cameron über sein großartiges 80er Synth-Pop Songwriting zu definieren. Dieser Mann ist ein Gesamtkunstwerk. Ein mid-life-kriselnder Crooner. Der bröckelnde Second Act, der schon alles gesehen hat. Einer, der sein Debüt „Jumping the Shark“ betitelt. Dieses Debüt erscheint im August, ist aber schon seit zwei Jahren als freier Download auf Camerons Homepage verfügbar - hier hat einer das Musikbusiness wirklich verstanden. Durchdrungen möchte man sagen. Die Digitalisierung sowieso, wie ein Blick auf besagte Homepage beweist. Live braucht Cameron folglich auch nicht mehr und nicht weniger als ein goldenes Mikrofon und spröde Presets aus der Drum Machine um sein Publikum in Ekstase zu versetzen.




Beim Hauptact des Abends, Mac DeMarco, darf es da schon etwas mehr sein: Er hat sich eine Band zusammengestellt, die den Eindruck erweckt, als hingen die Jungs, wenn sie nicht gerade auf Tour sind, den ganzen Tag auf einer Canola Farm in Dawson Creek herum; würden gelegentlich ein bisschen am Pick-up schrauben und am Abend gemütlich den Grill anfeuern (mit den gleichen Brickets wie Thomas Müller versteht sich). Für die Truckercaps, die Ihr bei Euren Exkursionen in Münchens und Berlins Szeneviertel vom Kopf jedes zweiten Fixie-Fahrers fliegen seht, ist DeMarco quasi im Alleingang verantwortlich. Und auch musikalisch erkennt man ihn 10 Meilen gegen den kanadischen Wind. Sein, auf mittlerweile vier Alben erprobter, DIY-Pop schmeckt nach Rauch und Whiskey, genauso wie nach Strand und Meerwasser. Überdies ist Mac ein richtig toller Typ. Wenn Ihr nicht ohnehin schon verknallt seid, solltet Ihr Euch zur Vorbereitung unbedingt die „Macumentary“ Pepperoni Playboy anschauen – spätestens wenn Mac im Studio Indie-Rock erklärt, seid Ihr dem zahnlückigem Slacker-Charme erlegen. Versprochen. Und dann am 12. Juli mit leuchtenden Augen ins Technikum – aber hey: Verpasst die Vorband nicht!







Für: superpaper