Konzertnachschauen waren an dieser Stelle eigentlich nicht vorgesehen, wenn aber eine Süd-Londoner Schülerband mit sanftem Blues einen ehrwürdigen Münchener Club zerlegt, ist das dann doch einen Eintrag wert:
Am Dienstag Abend gab sich Archy Marshall alias King Krule im Atomic Cafe die Ehre. Mitgebracht hat der 19-Jährige eine Band, die im benachbarten Hofbräuhaus wohl kaum ohne Ausweis an eine Maß Bier kommen würde. Seit dem, im letzten Jahr hinlänglich und zu Recht gefeierten Debüt "6 Feet Beneath The Moon" wundern wir uns, wie ein solcher Jungspund solch weltgewandte und tiefgängige Bastarde aus Jazz, Blues, Dubstep und Postpunk fabrizieren kann. Und wo zur Hölle ein so schmales Hemd eigentlich eine so kehlige und tragende Stimme her nimmt. Live aber wird dieses Missverhältnis richtig frappierend. Marshall hat sich im Vorfeld einen fleckigen Backenflaum zugelegt der ihn nicht gerade älter macht. Seine drei Kollegen wirken gar noch jünger und unauffälliger - der einzige, der sich noch ansatzweise Gedanken über sein Bühnen-Outfit gemacht zu haben scheint, ist der Roadie. Was diese Burschen dann allerdings veranstalten, lässt so manche Kinnlade offen stehen. Als würden sie seit vierzig Jahren nichts anderes tun, füllen sie selbstverständlich und nonchalant die Bühne. Musikalisch ist das Ganze unglaublich tight und punktiert: Die flirrende Telecaster, die präzisen Schlagzeug Shuffles, die sehr zurückgenommene Elektronik - alles ist bis in den letzen, leise perlenden Hall ausgereift und perfekt vorgetragen. Marshalls Stimme ist auch live wuchtig und einnehmend und rotzt zwischendurch ein paar unverständliche Ansagen ins Publikum.
Apropos: Britischer Slang und Rotzigkeit sind im Atomic Cafe ja von Haus aus bestens aufgehoben. Dennoch war es gleichermaßen überraschend, wie erfreulich, dass die Veranstalter vom Muffatwerk King Krule gerade in die Neuturmstraße geschickt haben. Der gehypte Brite hätte wohl selbst in München spielend deutlich größere Venues gefüllt. Für die (200?), die eine Karte bekommen haben, war es freilich ein sehr intimer Rahmen für ein großartiges Konzert. Marshall verließ für einen Song gar die kleine Bühne und mischte sich direkt unters Volk. Die Teenies in der ersten Reihe, die eigens aus dem europäischen Umland angereist waren, werden ihrem rotschöpfigen Idol wohl kaum nochmal so nahe kommen, wie an diesem Abend. Bei den Älteren machte sich ab und an vielleicht auch ein bisschen Wehmut breit - im endgültig letzten Jahr des Atomic Cafe wird es nicht mehr viele Gelegenheiten geben, solch großartige Künstler vor dem glitzernden Vorhang zu bewundern. King Krule jedenfalls - das ist allen Gästen spätestens an diesem Abend klar geworden - wird noch lange da sein und noch viele wunderbare Lieder schreiben. Auch wenn er irgendwann erwachsen werden sollte - it won´t be the last, baby..