The Notwist: Close to the Glass

Vergangene Woche erschien "close to the glass" - das siebte Album der Weilheimer Band The Notwist. Den Nordamerika Vertrieb der Platte hat sich das Seattler Label Sub Pop gesichert, bei dem unter anderem auch Nirvana oder Sonic Youth unter Vertrag standen.
 
"We get to sign an artist that we’ve been HUGE fans of for years [...]" vermeldete Sub Pop stolz und stellte im Rahmen eines lustigen Ratespiels einen 15 Sekunden Ausschnitt des Titelsongs online. Die meisten Antwortenden tippten auf Radiohead – womit die Sphären in denen sich The Notwist mittlerweile bewegen, hinlänglich abgesteckt sind.

Die Brüder Markus und Micha Acher gründeten The Notwist vor  25 Jahren gemeinsam mit dem Schlagzeuger Mecki Messerschmidt - klassischen Drei-Mann Post Punk gab man zunächst zum Besten. Von Beginn an aber schwang das mit, was die Band bis heute auszeichnet: Das Gespür für große Melodien und vor allem dafür, diese bei Zeiten der Dekonstruktion und Zerbrechlichkeit preiszugegeben. Auf die große internationale Bühne katapultierten sich The Notwist 1998 mit dem Album Shrink. Seit den Arbeiten an diesem Album ist Elektrokapellmeister Martin Gretschmann alias Console festes Mitglied der Band. Mit seinem durchdachten elektronischen Arrangements hob er den Sound der Band auf eine neue Stufe. Die Personalie hatte nicht nur maßgeblichen Einfluss auf den Sound, sondern auch auf die ohnehin schon große Zahl an Nebenprojekten der Notwist Mitglieder, die sich mit dem Projekt 13 & god nun sogar bis ins kalifornische Oakland verästelten. Andere Triebe sind das Tied & Tickled Trio, Ms. John Soda oder Lali Puna, die Thom Yorke höchstpersönlich einst zu seiner Lieblingsband erklärte. Das Zentrum all dieses Schaffens blieb dabei immer die kleine Stadt zwischen Starnberger See und Allgäuer Alpen. Das englische Musikmagazin The Wire lies sich deshalb gar dazu hinreißen, Weilheim mit dem Seattle der frühen 90er zu vergleichen, wo im Kielwasser von Nirvana zahlreiche Bands nach oben gespült wurden.
All das, obwohl The Notwist der größte Erfolg erst noch bevorstand: Das 2002 erschienene Album "Neon Golden" verkaufte sich über 150 000 mal und gilt der internationalen Musikpresse als eines der wichtigsten Alben der 2000er Dekade. Doch auch danach stand das Auftreten der Band in angenehmem Missverhältnis zu ihren Erfolgen: Bei The Notwist gibt es keine Eskapaden, kein Sex and Drugs und auch keine Parolen. Kein Image das mühevoll gepflegt und aufrecht erhalten werden muss oder gar zum Nacheifern anregen soll. Auch an einer Legendenbildung als Anti-Pop Stars ist den dreien nicht gelegen, so darf ihre wiederholte Weigerung, einen ihrer Songs für einen gut dotierten Werbespot herzugeben in Interviews mittlerweile nicht mehr besprochen werden. Ihr wortkarger Umgang mit Journalisten ist ohnehin ein vielzitiertes Markenzeichen - wundervoll dokumentiert in Jörg Adolphs Film on/off the record: 


Alles Drumherum ist nur lästiges Beiwerk. Was zählt ist Musik und sich die Zeit zu nehmen, sie bis in den letzten Hall auszureizen. 
Auch an close to the glass haben The Notwist wieder lange herumgeschraubt. Herausgekommen sind zwölf Popsongs, die sich stets einen Ausgang ins Psychedelische und Experimentelle lassen. Getragen von Markus Achers zerbrechlicher Stimme und Gretschmanns elektronischen Arrangements, die etwas deutlicher und ruheloser wabern als bisher. Die fragile Melancholie, die The Notwist seit jeher auszeichnet, blitzt immer wieder auf und verfliegt im nächsten Moment in einem modulierten Gitarrenakkord oder einem tief stampfenden Club-Bass. Das beste Beispiel hierfür ist der Titelsong "close to the glass" - ein herrlich zerstückelter Popsong, der immer wieder neue Universen aufschließt, um ihnen nur ein kleines aber punktgenaues Fiepen oder Pfeifen zu entlocken:




The Notwist sind mit close to the glass derzeit auf Tournee - Welttournee versteht sich. München freut sich ganz besonders auf das Heimspiel im Circus Krone am 13. April.