Dompteur Mooner: Disco in Zitaten

Auf dem Ende Januar erschienen vierten Teil der Elaste Reihe kompiliert Dompteur Mooner „Meta-Disco & Proto-House“.


Zitate, Verweise und Variationen gehören zum Grundinventar jeglicher Kunst: Maler stehen in der Tradition anderer Maler, Komponisten greifen alte Motive auf, Literaten sind in der Regel beeinflusst durch das, was sie lesen und Musiker von der Musik, die sie hören. Allesamt – so die häufig strapazierte Metapher – Zwerge, die auf den Schultern von Riesen sitzen. Dort sehen sie freilich weiter als die Riesen selbst, was im Musikbusiness aber gar nicht immer der Anspruch zu sein scheint. Wo Markt und Marketing eine übergeordnete Rolle spielen, kommt die Rückwärtsgewandtheit eher als uninspiriertes Widerkäuen daher. Die Branche verlegt sich immer mehr auf die profitorientierte Verwaltung des Vergangenen: angefangen bei Wiedervereinigungen längst zersplitterter Bands, ihrer Auferstehung in Tribute-Kapellen, dem Remastern und Wiederveröffentlichen alter Alben, bis hin zur verklärenden Nostalgie von Popdokumentationen, Bandbiographien und Compilations.

Dass es auch in Zeiten der Retromanie tolle und wichtige Compilations alter Songs gibt, zeigt die Elaste Reihe des Münchner Labels Compost Records. Ende Januar erschien deren vierter Teil, den erneut Dompteur Mooner zusammengestellt hat. Dieser Mooner ist – trotz eines weltweiten Hits mit Zombie Nation – ohnehin völlig befreit vom Verdacht jedweder Mainstream-Orientierung oder Konventionalität. Als Teil der Zombocombo lotet er seit Jahren die Grenzen zwischen DIY-Kunst, Trash, Show und Party aus und sorgt so für den wohl subversivsten und spannendsten - mit Sicherheit aber unvorhersehbarsten Teil des Münchner Nachtlebens. Eigenschaften, die auch auf die nach einem Underground-Fanzine aus den 80ern benannte Elaste Reihe zutreffen: Nachdem Mooner auf Teil eins und Teil drei noch ansatzweise genreorientiert Raritäten des New Wave und Synthiepop, der Italo Disco und des Minimal kompilierte, widmet er sich auf Teil vier nun ganz explizit der Avantgarde elektronischer Tanzmusik. Er stellt uns nicht die Riesen vor, auf deren Schultern all die Zwerge sitzen, sondern Zwerge, auf die sich später Riesen gesetzt haben. Elaste Volume 4 reüssiert 13 Tracks, die in der öffentlichen Wahrnehmung keine Rolle spielten, ihrer Zeit aber weit voraus waren, ja ganze Genres vorwegnahmen. Tracks, die die Grenzen von Discohouse, Acid und New Wave schon sprengten, bevor diese Genres überhaupt existierten. So etwa „Gluttony“ von den Discopionieren Rinder & Lewis aus dem Jahr 1977 oder Barbara Norris Discofunk Nummer „Heavy Hitter“ aus dem Jahr 1981. Als Schlüsseltrack für die Compilation bezeichnet Mooner eine Nummer von Charanjit Singh, der auf seinem Album „Synthesizing: Ten Ragas To A Disco Beat“ Sitarklänge mit denen der gerade erschienen Roland TB303 verwob und damit bereits 1982 das Fundament für Acid House legte.

Elaste Vol. 4 zeigt dass auch Zitieren innovativ sein kann - eine spannende, gar lehrreiche und natürlich sehr tanzflächenkompatible Veröffentlichung. Disco ist ein weites Feld, Luise.


für: superpaper