2013 on rewind

So überschreibt man doch Jahresrückblicke - zumindest, wenn FM4 für die musikalische Frühförderung zuständig war. Weiter dann: Musikalisch geht ein tolles und abwechslungsreiches Jahr zu Ende. Sich auf zehn besonders herausragende Alben festzulegen, fällt dementsprechend schwer. Eine Annäherung:

Dean Blunt - The Redemeer


Den Londoner Dean Blunt kannten wir bisher vornehmlich als eine Hälfte des Dub Pop Duos Hype Williams. Nach einem Mixtape im letzten Jahr und einem gemeinsamen Album mit Inga Copeland ist The Redemeer nun Blunts erste Soloveröffentlichung. Jenseits gewohnter Songstrukturen setzt er 19 Tracks zu einer großen Erzählung über die moderne Liebe zusammen. Die Zerrissenheit zwischen schnelllebigen, medial vermittelten Klischees und romantisch überhöhten Ansprüchen transportiert Blunt narrativ im collagenhaften Aufbau des Albums. Kurze wahnhafte Anrufbeantworter-Aufnahmen treffen auf Klavier Songwriting, hypnotische Hip Hop Beats und Blunts tiefe, tragende Stimme. Etwas verkopft und nicht unbedingt catchy - aber ein wunderschönes Ganzes, das hierzulande bisher zu wenig Aufmerksamkeit erfahren hat.





Washed Out - Paracosm


Im August diesen Jahres erschien Paracosm, das zweite Album Ernest Greenes alias Washed Out. Eine wunderbare Sommerplatte, die aber auch im Herbst und Winter noch großartig funktioniert. In Greenes Parallelwelt scheinen die Jahreszeiten ohnehin gleichzeitig stattzufinden - mit Hilfe angeblich etwa fünfzig unterschiedlicher Instrumente und Naturtöne verändert er die Wirklichkeit nicht durch Distanz, sondern durch Nähe zu ihr. Im Vergleich zum Vorgänger Within And Without drehte Greene nochmal an ein paar kleinen, aber wirkungsvollen Stellschrauben: Die Beats, meist mit Schlagzeug eingespielt, stehen etwas mehr im Vordergrund und Greenes vervielfachter weicher Gesang schmiegt sich noch etwas enger an die detailverliebte Klangwelt. Dub, Ambient, umgedrehte Gitarrenriffs - alles wirkt bekannt und doch neu, vor allem aber friedlich und gut - it all feels right:


 


Bosnian Rainbows - s/t


Omar Rodriguez Lopez von at the drive in und Mars Volta hat eine neue Band. Mit den Bosnian Rainbows verfolgt er einen deutlich poppigeren Ansatz als mit den großen Vorgängerinnen und scheint dafür die richtigen Schlüsse gezogen zu haben. So fransen auch die Bosnian Rainbows an den Genregrenzen ordentlich aus, anders als bei Mars Volta wird dies aber durch klare, engmaschige Songstrukturen kanalisiert. Fixpunkte setzen dabei - wie schon bei at the drive in - wuchtige Gitarren, kompromisslose Breaks und hysterische Tempowechsel. Die Bosnian Rainbows garnieren dies - ganz zeitgemäß - mit banalem Shoegaze, New Wave und zersetzten Synthie Pop Fragmenten. Spätestens hier ist dann auch Schluss mit den Vergleichen zu den Vorgänger Bands - Rodriguez Lopez stellt sich mit den Bosnian Rainbows erfolgreich auf die Schultern der eigenen Riesen.




Unmap - Pressures


Da kam auf den letzten Metern des Jahres aber nochmal so richtig was ums Eck: Tolles Debüt der neuen Band um Alexander Stolze von Bodi Bill. Gemeinsam mit der irischen Performance Künstlerin Mariechen Danz sollte eigentlich eine musikalische Untermalung für Danz´s Auftritte entstehen. Das Material aber verselbständigte sich und verlangte schnell nach einem größeren Rahmen, den es mit der Band Unmap bekommen sollte.
Unmap´s Sound ist eine Berliner Interpretation des Indie Pop: Deutlich elektrolastig, minimalistisch aber auch mit einem gewissen Hang zum Pathos. Das düster poppige Elektrogefrickel von Bodi Bill schimmert immer wieder durch, eckig und eigen werden Unmap aber durch Mariechen Danz´s Stimme und ihre Art des Gesangs (so war "hankerchief" bisher nicht im Verdacht ein besonders aufregendes Wort zu sein).
Produziert haben das Ganze T. Raumschmiere und  PC Nackt, der uns in den letzten Jahren als Teil von Apparat und Betreiber des Chez Cherie Studios in Berlin wiederholt positiv aufgefallen ist.


  



Mount Kimbie - Cold Spring Fault Less Youth



Mount Kimbie´s Debüt Crooks & Lovers durchbrach 2010 den Londoner Garage und Dubstep Smog wie ein Leuchtfeuer. Ihr Sound konnte wohl nur dort und nur zu dieser Zeit entstehen und verlangte alsgleich nach einer neuen Schublade im Genrecontainer. Die war mit „Post-Dubstep“ schnell gefunden - dumm nur, dass Kai Campos und Dom Maker das Genre mit ihrem zweiten Album Cold Spring Fault Less Youth gleich wieder sprengen. Zu den verrauschten Gitarrenriffs, Reverb-Dubs und verhakten Vocal-Samples gesellt sich Gesang, der die Räume zwischen den Beats harmonisch füllt und das Album hier und da in Richtung Indie Pop stubst. Die Dunkelheit des Dubstep wurde damit gänzlich vertrieben, was es Schubladisten schwer machen dürfte - denn "Post-Post- .." will ja wirklich niemand hören.



Iceage - You´re nothing



Die jungen Dänen von Iceage haben seit ihrem Debüt vor zwei Jahren nochmal eine ordentliche Schippe drauf gepackt. Ihr düsterer Post-Hardcore strotzt nur so vor Reminiszenzen an große US Bands der 80er und wird stilsicher abgerundet mit einer Prise Noiserock und straighten Power Pop. Frontman Elias Bender Rønnenfelt pendelt stimmlich erfolgreich zwischen Genie und Wahnsinn und trägt durch die fulminante halbe Stunde Spielzeit.



     

 

Boards of Canada - tomorrows harvest



Am record store day erschien das jüngste Werk des schottischen Produzentenduos Boards of Canada. Acht Jahre haben sich Mike Sandison und Marcus Eoin dafür Zeit gelassen und sich derweil in ihren Elfenbeinturm verkrochen. All der Lärm, all die Verwirrungen der Welt scheinen von dort aus bestenfalls ein weit entferntes Rauschen und so entstand mit tomorrows harvest erneut ein wundervoll entrücktes und zeitlos erhabenes Album. Verwaschene Samples, Synthieflächen und einzelne Beats verdichten sich ganz langsam und organisch und illustrieren den steten Widerstreit von Melancholie und Glückseligkeit, den wohl auch Menschen führen, die mit der Welt nichts zu tun haben.






Dj Koze - Amygdala



Amygdala ist ein Album wie ein Urlaub. Wie eine Ballonfahrt übers Auenland oder ein Tag in der Hängematte am Ufer des Brandyweins. Abgründe tun sich auf und werden alsgleich zugeschüttet mit unzähligen Melodien, Flächen und Geräuschen. Mir ruhiger Hand führt Kosi herumgeisternden Hall, wundervoll entschleunigte Housebeats und Soundschnipsel aller möglichen Instrumente meisterhaft zusammen. 
Abwechslungsreich und hochkarätig sind auch die Mitwirkenden auf Amygdala - in Sachen Features wurde der gute Kosi in diesem Jahr wohl nur von Sido getoppt. Mit dabei sind u.a. Dirk von Lowtzow, Mathew Dear, Caribou und Sascha Ring a.k.a Apparat:




Earl Sweatshirt - Doris



Immer wieder erstaunlich, wenn sehr junge Musiker sehr erwachsene Musik machen. Manchmal zeugen Stimme, manchmal Texte, manchmal der komplette musikalische Ansatz von einer Reife, die der altersweise Konsument nicht mit gerade der Pubertät Entsprungenen überein bringen mag. Der 19 jährige Earl Sweatshirt aus Tyler The Creators Odd Future Wolf Gang hat nun all dies in sein Debüt gepackt: Reflektierte Texte, routinierten, punktgenauen Flow und genauso leichtfüßig, wie schwer bedrohliche Beats, die Earl auch selbst baut, wenn nicht gerade RZA, Pharell oder The Alchemist Hand anlegen. Ein ganz großer Wurf, der auch Odd Future nochmal auf eine neue Ebene hebt.






Darkside - Psychic



Darkside ist das neue Projekt von Nicolas Jaar - dem Meister der Entschleunigung. Gemeinsam mit dem Gitarristen Dave Harrington begibt er sich auf die Suche nach der dunklen Seite elektronischer Popmusik. Resultat ist ein schwer festzumachender, düsterer Klangkosmos, der die 100 BPM Marke freilich selten überschreitet. 

Auf einen Teppich aus abgehangenen Beats betten die beiden Fragmente psychodelischer und progressiver Gitarrenmusik. Kongenial transportieren Jaars typisch herab gepitchte Arrangements und Harringtons modulierte Gitarrenriffs Einsamkeit, Melancholie und Blues.






Sodala. Natürlich gab es auch großartige Singles. Deshalb zum Abschluss eine Playlist mit 25 Tracks des zu Ende gehenden Jahres: