Darkstar: Woanders is auch Scheiße

Die Musik des britischen Duos Darkstar hat seit jeher einen klaren Ortsbezug: Schon auf ihrem Debüt „North“ gossen die beiden die kaputte Urbanität ihrer nordenglischen Heimat in dunklen Synth-Pop und verneigten sich gleichzeitig vor großen Bands der Region, wie New Order oder The Human League. Auf ihrem mittlerweile dritten Album „Foam Island“ intensivieren sie nun auch die Beziehung zu den jungen Menschen ihrer Heimat: Das Album wird getragen von Interviewpassagen, die die Lebenswirklich- und Unwirklichkeit im Norden Englands einfangen. Wundervoll in Szene gesetzt durch akzentuierte Beats und eine aufs Wesentliche reduzierte Instrumentierung. Am 20. Februar stellen Darkstar ihr neues Album in der Roten Sonne vor.

Die kompletten 80er hindurch wurde England von der konservativen Premierministerin Margaret Thatcher regiert. Während ihrer Amtszeit verfügte sie harte Sparmaßnahmen und fuhr die Sozialleistungen immer tiefer in den Keller. Diese Politik entfachte in der britischen Musik- und Kulturszene ein Feuer, das bis heute lodert: Pete Wylie, The Not Sensibles oder The Specials sind Beispiele für Musiker, die aus der Wut und Verzweiflung ihrer Generation die Inspiration für ihre Songs gezogen haben. Aber auch Thatchers Wirtschafts- und Sozialpolitik wirkt in vielen Regionen des United Kingdom bis heute nach. Vor allem in Nordengland. Hier ist die Arbeitslosigkeit stellenweise doppelt so hoch, wie im restlichen Land. Bei der ohnehin schon horrend hohen Jugendarbeitslosigkeit im UK bedeutet das, dass mancherorts nur jeder zweite der 15 bis 24-jährigen einen Job hat. Kein Zufall wohl, dass alle oben genannten Bands und Musiker aus dem Norden der Insel kommen. Auch Aiden Whalley und Jay Young, die sich 2007 zu Darkstar zusammengeschlossen haben. Ihre Heimatstadt Huddersfield liegt etwa auf halbem Weg zwischen Leeds und Manchester.






Internationale Aufmerksamkeit weckten die beiden erstmals 2009 mit der unwiderstehlichen Single „Aidy’s Girl Is A Computer“. Ein Jahr später folgte das Debütalbum mit dem programmatischen Titel „North“ und kurz darauf auch schon der Wechsel zu Warp Records. Einem Label, das zu dieser Zeit mit Acts wie Aphex Twin oder den Boards of Canada schon lange nicht mehr nur „Weird And Radical Projects“, sondern die Stars der Szene beheimatete. Auch räumlich suchten Jay und Aiden die Nähe zu ihrem neuen Label und zogen nach London. Es folgte das zweite Album „News from Nowhere“, auf dem Darkstar ihren eigenständigen Sound konsequent weiterentwickelten und um Elemente aus dem Psychedelic Folk anreicherten. Im vergangenen Jahr kehrten die beiden nun für mehrere Monate nach Huddersfield zurück und schraubten dort zunächst das großartige Mixtape „Kirklees Arcadia“ zusammen – gewissermaßen auch musikalisch eine Rückkehr zu den Beats und Cuts der frühen Songs. Sie nutzten die Zeit aber auch, um sich von jungen Menschen über ihr Leben und Grundgefühl berichten lassen und sich somit der der sozialen Situation in ihrer Heimat empirisch zu nähern. Diese Interviews bilden die Grundlage des neuen Albums „Foam Island“, auf dem Jay und Aiden aus der Desillusionierung, den Sorgen und Hoffnungen ihrer Gesprächspartner einen elektronischen Experimental-Pop entwickeln, der eine diffizile emotionale Tiefe aufweist. Immer wieder zeigen die Zusammenschnitte und Loops der einzelnen Sätze eine Ambivalenz zwischen Kriegsmetaphern und Qualitäten, die von der britischen Politik seit Thatchers Aufkündigung des sozialmarktwirtschaftlichen Konsenses nur wenig belohnt wurden: „Loyality, and kindness, honesty – just basic things“, beschreibt eine junge Frau gleich zu Beginn des Albums das Besondere der Region. „I don't think I'd like to leave”, sagt ein anderer „Just because of the people [...] I do think there's future here“. Darkstar nutzen diese Worte nicht, um eine ursprüngliche, primäre Gesellschaftsformation zu verklären, sondern zeigen, dass eine Gemeinschaft durch viele heterogene Teile zusammengehalten wird. Das gelingt auch deshalb so brillant, weil die beiden ihre eigene musikalische Sprache stetig weiterentwickeln und dabei immer wieder auf die vielfältige Popkultur des Landes rekurrieren: Der einstige Ausgangspunkt im Dubstep blitzt noch ab und an auf; hauptsächlich aber kumulieren Versatzstücke aus R&B, Hip-Hop, Ambient und New Wave in leichtfüßigem, eingängigem Pop. So strahlt „Foam Island“ trotz der soziologischen Wucht des Themas stets ein sanftes Gleichgewicht zwischen Realismus und Optimismus aus. Am prägnantesten bringt dies vielleicht Daryl, ein Interviewpartner am Ende des Songs “Inherent in the Fibre“ zum Ausdruck: Daryl spricht über einen entspannten Midtempo-Beat von der Straße, in der er lebt als „Gaza“ – „seinem Strip“ und seiner Heimat. Er sitze hier am liebsten den ganzen Tag vor dem Haus, schaue sich das ganze Drama an, treffe Freunde und genieße die Sonne. 





Im Februar und März reisen Jay und Aiden kreuz und quer durch Deutschland um "Foam Island" live zu präsentieren:

Donnerstag 18. Februar: Berghain, Berlin
Freitag 19. Februar: MTW Club, Offenbach
Samstag 20. Februar: Rote Sonne, München 
Dienstag 01. März: Musikbunker, Aachen
Mittwoch 02. März: Conne Island, Leipzig
Donnerstag 03. März: Zentralcafé im K4, Nürnberg
Freitatg 04 März: Geneva Club, Köln
Samstag 05 März: Hotel Shanghai, Essen
Sonntag 06 März: GrooveStation, Dresden



(für: superpaper)